Medizin für alle: Versorgung ohne blinde Flecken

Dec 1, 2025 - 07:04

Lange Zeit galt in der Medizin der männliche Körper als Maßstab. Das hat Folgen: Beschwerden von Frauen werden oft übersehen, Krankheiten zu spät erkannt, Therapien nicht optimal angepasst. Dieses Übersehen, dieses Nicht-Wahrnehmen, ist eines der größten Versäumnisse in der Medizin.

Zahlreiche Erkrankungen wie Migräne, Multiple Sklerose oder Herz-Kreislauf-Probleme zeigen Unterschiede zwischen Frauen und Männern: bei Symptomen, beim Verlauf der Krankheit und beim Ansprechen auf Therapien. Und so manches Thema – Endometriose, Inkontinenz, Libidoverlust – wird nach wie vor selbst in Arztpraxen kaum angesprochen. Vieles, was Frauen betrifft, ist medizinisch wichtig, aber gesellschaftlich immer noch ein Tabu, mit spürbaren Folgen für die Patientinnen, ihre Lebensqualität und die Gesundheit.

Eine Vielzahl von Krankheiten könnte also besser erkannt und behandelt werden, wenn Medizin geschlechtersensibel gestaltet würde.

Geschlechtersensible Medizin ist kein Trendthema

Sich um die Gesundheit aller Menschen gleichermaßen zu kümmern bedeutet, eine gerechtere und patientenfreundlichere Medizin zu schaffen – in Forschung, Lehre, Diagnostik und Versorgung.

In klinischen Studien beispielsweise sind Frauen noch immer unterrepräsentiert. Die Gründe dafür sind vielfältig: ethische Überlegungen, Sicherheitsfragen, aber auch praktische Hürden wie Zeitmangel, familiäre Verpflichtungen oder vereinfachte Studiendesigns. Diese Lücken wirken sich auf die Aussagekraft der Ergebnisse für Patientinnen und Patienten aus. Sie zeigen auch, wie dringlich es ist, Daten konsequent nach Geschlecht zu erfassen. So entstehen klare Erkenntnisse, die zu besseren Therapien führen.

Die gesamte Patient Journey im Blick 

In vielen Bereichen ist bereits Bewegung in die Medizin gekommen: Neue Forschungsansätze entstehen im Austausch mit Expertinnen und Experten und gehen Hand in Hand mit Aufklärung, um die Unterschiede zwischen Frauen und Männern sichtbarer zu machen. Besonders dort, wo Frauen lange übersehen wurden, wird jetzt genauer hingeschaut – damit Krankheiten schneller erkannt und besser behandelt werden können. 

Doch Forschung allein reicht nicht. Entscheidend ist, den ganzen Weg der Betroffenen im Blick zu haben – von den ersten Symptomen bis zur Nachsorge und zum Alltag nach der Behandlung. Ihre Erfahrungen müssen ernst genommen und aktiv in die medizinische Arbeit eingebracht werden. Nur wenn Forschung, Medizin und Gesellschaft an einem Strang ziehen, kann Gesundheit wirklich gerecht werden und Frauen genauso gut helfen wie Männern.

Strukturen gestalten – für ein gerechtes Gesundheitssystem

Frauen sind nicht nur Patientinnen, sie spielen eine zentrale Rolle in der Forschung und Gesundheitsversorgung – als Ärztinnen, Wissenschaftlerinnen, Pflegekräfte oder als Angehörige, die medizinische Entscheidungen für ihre Familien treffen. Doch obwohl heute deutlich mehr Frauen Medizin studieren als Männer, erreichen sie selten Führungspositionen. Gleiche Chancen, Teilhabe und Anerkennung sind nötig, um die besten Lösungen für die Gesundheit aller zu finden.

Dr. André Schmidt / Via Novartis

Wer das Geschlecht in der Medizin mitdenkt, sorgt für bessere Therapien und bessere Ergebnisse – für alle. Deshalb verbinden wir Forschung, Versorgung und gesellschaftlichen Dialog und berücksichtigen die gesamte Patient Journey.DR. André Schmidt, Chief Medical Officer Innovative Medicines Germany, Novartis Deutschland

Dazu sind konkrete Maßnahmen auf mehreren Ebenen nötig. Aufklärung und Schulungen können geschlechtersensible Medizin bereits in der Ausbildung verankern, Tabuthemen sichtbar machen und bisher vernachlässigte Gesundheitsbereiche stärker in den Fokus rücken. Gleichzeitig ist es entscheidend, medizinische Daten nach Geschlecht zu erfassen, um fundiertere Therapieentscheidungen treffen zu können. Regulatorische Anreize können frauenspezifische Forschung gezielt fördern und die Sichtbarkeit und Teilhabe von Frauen auf allen Ebenen erhöhen. Und schließlich ist es das Zusammenspiel zwischen Industrie, Versorgern, Politik, Wissenschaft und Patientenvertreter*innen, die helfen, Wissen zu bündeln und geschlechtersensible Medizin dauerhaft voranzutreiben.

Die Zukunft ist gendersensibel – auch in der Medizin 

Gendergesundheit sollte nicht länger Randthema sein. Die Berücksichtigung geschlechterspezifischer Unterschiede in Forschung, Diagnostik und Therapie ist kein Luxus, sondern eine zentrale Voraussetzung für eine Medizin, die Betroffenen wirklich hilft. Jede Frau und jeder Mann muss gesehen, verstanden und optimal behandelt werden – unabhängig von Alter, Lebensphase oder Erkrankung. Genau darum geht es: Nicht um Sonderbehandlung. Sondern um Gleichbehandlung.

News Moderator - Tomas Kauer https://www.tomaskauer.com/